Dr. Hannelore Danders, 2014/15 Hannelore Danders, geboren 1931, lebt heute in Dresden. Als Schülerin gehörte sie in Magdeburg zu den Mitbegründerinnen einer Grundorganisation DSF. Sie arbeitete in der Weiterbildung für Russischlehrer in Dresden. In Dresden-Ost leitete sie die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. 1992 gründete sie den „Verein zur Hilfe für Kriegsveteranen in Russland e. V.“ mit.
Tag der Befreiung Gedanken einer Zeitzeugin Die Schuld ist groß. Auch 70 Jahre später ist sie nicht getilgt. Im Mai 45 kam der Sieg für die andern. Die Schmach blieb für uns – viel Trümmer und Steine zuhauf. Das Bild der Feinde verzerrt – Wir kannten die Menschen nicht, die stolz ihre Fahnen hissten, Tänze vollführten und Rache auch übten in unserem Land, dessen Wiesen, Blumen, Lieder und Menschen ich liebte. 70 Jahre danach! Ich kann es nicht fassen, dass all dies durch Deutsche geschehen, das Nichtwiedergutzumachende, Unmenschliche, Unsagbare. Mein ganzes Leben ist darüber hingegangen. Und heute erst versteh ich ganz das Ausmaß all der schwarzen, hirnverbrannten Taten, den Hass der Täter, die Angepasstheit der Mitläufer, die Gier der Gernegroß- und Möchtegern-Strategen, die in Nürnberg später keine Schuld bekannten. Sie schrieben in Gefängniszellen schön, was da geschehen war in Ost und West, in Süd und Nord. Von Zwangsarbeit und Niedertracht, von Mord an Jud‘ – an Frau und Kind – an allem, was nicht arisch war, hat Flick nichts wissen wollen und mancher andre nicht, der hinter Mauern schon den neuen Reichtum plante. Ich habe einige getroffen, die damals Kinder waren und mit der Mutter durch das Tor von Auschwitz gingen. Auch Dachau, Buchenwald, selbst Dresden nannten sie, die heute über siebzig sind und überlebten. Die Mutter kam ins Gas – sie taugte nicht zur Zwangsarbeit, doch Tanja überlebte. Ich möchte, dass sie Wärme spürt im Land der Täter. Dem alten Jakow schmerzt das Bein, seit er in DORA diese schweren Karren schob und fast erblindete. Gerechtigkeit und Würde möge ihnen widerfahren in unserem Land, wo vieles längst vergessen oder nicht gelernt, wo mancher eigne Nöte spürt und das verdrängt, was einst geschah. Nicht nur vor siebzig Jahren hier – bei uns – auch später noch in Vietnam wurden Menschen verbrannt. Kleine Kinder rannten um ihr Leben. In Gulags schufteten Verbannte von Stalins Gnaden. Bis heute sitzt Angst in den Knochen derer, die es gelernt haben, sich zu fürchten. Neue Ängste steigen in den Menschen hoch. Die Welt ist so – können wir sie ändern? Die Hoffnung ist gering. Man sagt: Nur wer sich ändert, verändert (ein Quäntchen) die Welt. Aber wollen wir uns ändern? Sophie und Hans Scholl bezahlten dafür mit dem Leben. Dennoch: Manche werden es wieder wagen, aufstehen, aufmüpfig sein, protestieren, „Nein“ sagen, anderen zur Seite stehen, Mitmenschlichkeit leben. Es ist ein schwerer Weg, den Stolpersteine säumen, doch einen andern gibt es nicht. Ich bin ein Mensch, in Deutschland geboren. In Lebendigkeit und Würde will ich leben, in Güte handeln und kämpfen – auch für Dich. April 1945 –eine rote Fahne in Berlin-Johannisthal Herbert Schneider, geboren am 11. November 1944 in Berlin, erinnert an die Erzählung seiner Mutter Erika über ein Erlebnis aus den Tagen um den 23. April 1945: Die Wohnung der Familie in der Neuköllner Reuterstrasse 73 war ein Opfer der Bombenangriffe geworden. Die kleine Gartenlaube des Opas im Drachensteg 7 im Ortsteil Johannisthal in Berlin-Treptow wurde zum Notquartier. Der jungen Mutter beherrschte nur der einzige Gedanke- die Hoffnung auf Lebenserhaltung! Denn so gänzlich war die Nazipropaganda über die Rache der Russen, nicht spurlos an den Menschen vorbei gegangen. Darum begann meine Mutter aus rotem Inlettstoff und weißen Kopfkissenbezug ein Fähnchen zu nähen, natürlich mit Hammer und Sichel. Das Fähnchen wurde weithin sichtbar an der Laube angebracht. Soldaten der Roten Armee rückten in das Gelände ein - es soll der 26.04.45 gewesen sein - und ein sowjetischer Panzer T-34 kam tatsächlich vor dem Gartentor zum Stehen. Die lauten und fremd klingenden Worte „Ruki werch“, „Dawai“ und dem fragenden „Du Faschist?“ klangen erschreckend. Meine Mutter fühlte Todesängste um ihr Kind, das im Hintergrund ununterbrochen schrie. Da betrat ein sowjetischer Offizier die Laube und nahm mich auf den Arm. Da stand nun dieser Offizier mit dem deutschen Baby auf den Arm und hatte Tränen in den Augen. Er begann in gutem Deutsch zu erzählen. Er war in Kiew Deutschlehrer. Seine Frau und einjährige Tochter wurde von deutschen Soldaten 1941 ermordet. Nun hatte er als Sieger ein deutsches Kind auf dem Arm. Jenes Fähnchen an der Laube führte nach der Einnahme des Grundstückes vorübergehend zur Nutzung der Laube als Stabsquartier einer Kompanie oder Zuges. Die Fahne bewahrte meine Mutter nach dem Wegzug der sowjetischen Soldaten und übergab sie später mir. Sie ist und bleibt für mich und meine Familie - zwei Söhne, eine Tochter, sechs Enkelkinder, ein Urenkel ein sichtbares Zeichen für die Befreiung Berlins vom Faschismus durch die Soldaten der Roten Armee!
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