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8. Mai - Tag der Befreiung

Mit Russland in Frieden leben

5/12/2019

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Brigitte Großmann, 2019
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Brigitte Großmann, Jahrgang 1946, Lehrerin a.D.
 
Die ersten Buchstaben des russischen Alphabets und russische Laute erlernte ich 1957, im Alter von elf Jahren. Die Sprache ist mir mit ihren vielen Zischlauten bis heute ein Rätsel geblieben. Aber dafür habe ich schon früh verstanden, wem Deutschland in erster Linie die Befreiung vom Faschismus zu verdanken hat. Filme wie „Ein Menschenschicksal“ oder „Die Kraniche ziehen“, Prosa und Belletristik sowie die eigene Familiengeschichte haben später dazu beigetragen, über „die Lebenden und die Toten“[1] des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion nachzudenken und mich für Frieden und Völkerverständigung zu engagieren.  Seit jenem Jahr 1957 hatte ich für einige Jahre eine Brieffreundin in Moskau, Tanja Lyssenko, ich habe sie nie persönlich kennengelernt, aber ihr Foto ist mir erhalten geblieben. Später traf ich Alexander, den ich seit mehr als 35 Jahren zu meinen Freunden zähle. Er ist General a. D. in den Streitkräften der Russischen Föderation.
In der Zeit von Gorbatschow und seinen Reformen für die Umgestaltung der sowjetischen Gesellschaft kreuzten sich unsere Wege. Ihn als Militär und mich als Lehrer verbanden gemeinsame Ansichten und ich verstand, dass die Begegnungen zwischen jungen Menschen unserer Länder notwendig sind, um Vorurteile abzubauen und eigene Erfahrungen im Umgang mit den „Fremden“ (auch wenn sie Freunde genannt wurden) zu machen. Meine Hoffnungen und die Begeisterung für die Perestroika waren so stark, dass ich am Aufbau eines gemeinsamen Hauses in Europa teilnehmen wollte. Die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen aus der gemeinsamen und oft verhängnisvollen Geschichte von Deutschen und Russen sowie die Erfahrungen im Umgang mit den in der DDR stationierten Streitkräften sollten dazu beitragen.
Die Schüler und Lehrer der Helmut-Welz-Oberschule Berlin waren gern gesehene Gäste in den Kasernen von Elstal und Krampnitz im Bezirk Potsdam. Für die jungen sowjetischen Wehrpflichtigen gab es „Freizeit“, und bei Sport, Spiel und Gesang vergingen die Stunden viel zu schnell. Im Ergebnis gemeinsamer Erinnerungsarbeit stand im Foyer der Schule eine Büste des Helden der Sowjetunion N. A. Sinowjew, der zweiundzwanzigjährig im Kampf gegen die deutschen Eindringlinge getötet wurde. Eine Ausstellung, die der Kommandeur der 35. Motorisierten Schützenpanzerdivision eröffnete, zeigte den schicksalhaften Kampfweg der Division bis zur Befreiung des Ostens Deutschlands. Am abendlichen Lagerfeuer sangen die Jungen und Mädchen gemeinsam mit den Wehrpflichtigen das bekannte Lied „Immer lebe die Sonne, immer lebe der Himmel, immer lebe die Mutter und auch ich immerdar“. Das war am 21. April 1985.
„Die ganze Geschichte zu vermitteln und darüber nachzudenken und zu erzählen, warum sie hier waren“, mahnte der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke, am 14.06.2019 anlässlich des Abzuges der Westgruppe der Truppen der Russischen Föderation vor 25 Jahren aus dem geeinten Deutschland. Ich bin im Frieden aufgewachsen aber mit dem  Bedürfnis, die Erinnerung an die sowjetischen Soldaten die im Kampf gegen die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus ihr Leben verloren, nicht zu vergessen. Der 8. Mai 1945 ist für mich immer ein Datum deutsch-russischer Geschichte und ein europäischer Gedenktag um solche Tragödien in der Zukunft zu vermeiden.   Und doch tut sich die deutsche und teilweise auch europäische politische Gesellschaft mit der Aussage des Ministerpräsidenten schwer. Die NATO, die sich nach 1994 weder aufgelöst, noch ihre Raketenbasen auf deutschem Boden geschlossen hat, sieht in Russland einen neuen Feind und stimmt einem neuen Prozess des verstärkten Rüstens zu.  Über die Hälfte der Bundesbürger sieht das kritisch und möchte in einem gesamteuropäischen Sicherheitssystem leben und erteilt damit der konfrontativen Politik gegenüber Russland eine Absage.  Bald 75 Jahre hält der Frieden zwischen Russland und Deutschland, er darf nicht zum Spielball strategischer Machtspiele werden.  Die Freundschaft zwischen den Menschen unserer Länder trägt zum besseren Verstehen und Vertrauen bei und damit zur Erhaltung des Friedens. Diese Sicht teile ich auch noch heute mit einem General der Streitkräfte Russlands.


[1] Konstantin Simonow: Die Lebenden und die Toten (Roman, 1959). Deutsch von Corinna und Gottfried Wojtek, Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin  1962. 1960 erschienen bei Kindler, München, Deutsch von Alexander Kaempfe und Maria Lampus. Später ausgeweitet zu einer Romantrilogie. Der zweiteilige Kinofilm hatte 1964 Premiere und lief im gleichen Jahr in der DDR und der Bundesrepublik an.
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Tanja Lyssenko
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21.4.1985, Eröffnung der Ausstellung über den Kampfweg der 35. Motorisierten Schützenpanzerdivision durch Oberst A.J. Wladimirow an der Helmut-Welz-Schule in Berlin-Hohenschönhausen
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