April 1945 –eine rote Fahne in Berlin-Johannisthal Herbert Schneider, geboren am 11. November 1944 in Berlin, erinnert an die Erzählung seiner Mutter Erika über ein Erlebnis aus den Tagen um den 23. April 1945: Die Wohnung der Familie in der Neuköllner Reuterstrasse 73 war ein Opfer der Bombenangriffe geworden. Die kleine Gartenlaube des Opas im Drachensteg 7 im Ortsteil Johannisthal in Berlin-Treptow wurde zum Notquartier. Der jungen Mutter beherrschte nur der einzige Gedanke- die Hoffnung auf Lebenserhaltung! Denn so gänzlich war die Nazipropaganda über die Rache der Russen, nicht spurlos an den Menschen vorbei gegangen. Darum begann meine Mutter aus rotem Inlettstoff und weißen Kopfkissenbezug ein Fähnchen zu nähen, natürlich mit Hammer und Sichel. Das Fähnchen wurde weithin sichtbar an der Laube angebracht. Soldaten der Roten Armee rückten in das Gelände ein - es soll der 26.04.45 gewesen sein - und ein sowjetischer Panzer T-34 kam tatsächlich vor dem Gartentor zum Stehen. Die lauten und fremd klingenden Worte „Ruki werch“, „Dawai“ und dem fragenden „Du Faschist?“ klangen erschreckend. Meine Mutter fühlte Todesängste um ihr Kind, das im Hintergrund ununterbrochen schrie. Da betrat ein sowjetischer Offizier die Laube und nahm mich auf den Arm. Da stand nun dieser Offizier mit dem deutschen Baby auf den Arm und hatte Tränen in den Augen. Er begann in gutem Deutsch zu erzählen. Er war in Kiew Deutschlehrer. Seine Frau und einjährige Tochter wurde von deutschen Soldaten 1941 ermordet. Nun hatte er als Sieger ein deutsches Kind auf dem Arm. Jenes Fähnchen an der Laube führte nach der Einnahme des Grundstückes vorübergehend zur Nutzung der Laube als Stabsquartier einer Kompanie oder Zuges. Die Fahne bewahrte meine Mutter nach dem Wegzug der sowjetischen Soldaten und übergab sie später mir. Sie ist und bleibt für mich und meine Familie - zwei Söhne, eine Tochter, sechs Enkelkinder, ein Urenkel ein sichtbares Zeichen für die Befreiung Berlins vom Faschismus durch die Soldaten der Roten Armee!
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