Otto Rubin, 1994Otto Rubin, Jahrgang 1928
Bei der offiziellen Verabschiedung des Restes der hiesigen Garnison Eberswalde der Westgruppe der Truppen herrscht Abschiedsstimmung auf beiden Seiten, und aus dieser Stimmung lasse ich meine Gedanken in das Jahr 1945 zurückgehen. Im Februar/März jenes Jahres wartete meine Familie auf das Eintreffen der Roten Armee als unsere Befreier vom Hitlerfaschismus. Besonders deshalb, weil mein Vater gleich nach dem Reichstagsbrand 1933 wegen seiner kommunistischen Überzeugung verhaftet worden war und eine schlimme Zeit in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sonnenburg verbringen musste. Nach seiner Entlassung 1934 stand er unter Polizeiaufsicht und wurde durch Nazispitzel beobachtet. Den 8. Mai 1945, den „Tag der Befreiung“ von der Nazityrannei, konnte ich nicht in meinem Wohnort Finowfurt erleben, da ich noch am 17. März 1945 als 16-jähriger zum Reichsarbeitsdienst einberufen worden war. Entsprechend der mir von meinen Eltern mitgegebenen Ratschläge setzte ich nach der Entlassung aus einem englischen Internierungslager alles daran, so bald wie möglich wieder nach Hause zu kommen. Nach dem etwas abenteuerlichen Übertritt über die „grüne Grenze“ zur sowjetischen Besatzungszone war ich am 3. September 1945 endlich wieder zu Hause angelangt. Am Abend des gleichen Tages hatte ich erstmals Gelegenheit, unsere Befreier, sowjetische Menschen in Uniform, ganz persönlich kennen zu lernen. Mein Vater nahm mich zur Feier in das Volkshaus mit, wohin der Finowfurter Militärkommandant anlässlich des Sieges der Roten Armee über Japan eingeladen hatte. An jenem Abend hörte ich erstmals original russische, ukrainische und andere Volkslieder, erlebte ich erstmals in meinem Leben Tänze verschiedener Völker der Sowjetunion, dargeboten von Soldaten und Offizieren der Roten Armee. Obwohl ich kein Wort russisch sprach und die Soldaten und Offiziere an unserem Tisch nur ein paar Brocken Deutsch konnten, verstanden wir uns doch recht gut. Dass die Armeeangehörigen bereit waren, mit uns Deutschen Brot, Speck und Tabak zu teilen, erlebte ich zum ersten Mal an jenem Abend. Diesem meinem ersten Treffen mit unseren Befreiern folgten in den fast 50 Jahren danach Hunderte weiterer Begegnungen im Kreis der Familie oder gemeinsam mit Arbeitskollegen. Was mich persönlich angeht, brauchte es dazu keine Anordnung „von oben“. War es zunächst Spontaneität und später die Erfahrung, so trieb mich schließlich innere Überzeugung an, und das bis auf den heutigen Tag. In den Tagen des Abschiedsnehmens denke ich auch an die jahrelange Hilfe und Unterstützung durch die Angehörigen der Sowjetarmee zurück. Gerade auch hier in unserem Heimatkreis nahmen wir gerne deren Hilfe in Anspruch, zum Beispiel bei der Überwindung der Hochwasserkatastrophe, bei der Bergung des Getreides, bei der Kartoffelernte und vielen anderen Gelegenheiten. Und nicht vergessen sind die vielen begeisterten Auftritte des Gesangs– und Tanzensembles der Eberswalder Garnison und des Blasorchesters des 81. Gardepanzerregiments. Im Namen der Mitglieder der Brandenburgischen Freundschaftsgesellschaft e.V. Eberswalde rufe ich unseren scheidenden Freunden zu: Bleibt gesund, gestaltet fleißig Euer neues Leben, streitet weiter für Frieden und Freundschaft unter den Völkern.
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