Zur Bearbeitung hier klickenHans Modrow, Jahrgang 1928, war Erster Sekretär der Bezirksleitung der SED in Dresden. Vom 13. November 1989 bis 12. April 1990 war er Vorsitzender des Ministerrates der DDR, später Abgeordneter im Bundestag und im Europaparlament. Er war Ehrenvorsitzender der PDS und ist Vorsitzender des Ältestenrates der Partei Die Linke.
Als ich am 9. Mai 1945, noch Volkssturm-Mann, mit 17 Jahren von Rotarmisten gefangengenommen wurde, begann ein langer Weg von beinahe vierjähriger Kriegsgefangenschaft. Der Weg führte über das Einbringen der Ernte in Hinterpommern in der Nähe von Kolberg über zwei Monate im Lager Breslau zu Holzfällerarbeiten bei Uwarowka ca. 200 km vor Moskau. Er nahm sein Ende im Januar 1949 nach dem Besuch einer Zentralen Antifaschule, die ich als Kriegsgefangener besucht habe. Was ich am 9. Mai 1945 mit meiner Gefangennahme nicht begreifen konnte, erfüllte mich bei meiner Rückkehr mit ganz anderen Gefühlen. Vor Moskau habe ich gesehen und erlebt, was verbrannte Erde bedeutet, die die faschistische Armee hier hinterlassen hatte. Ich war noch kein Freund der Sowjetunion, konnte aber schon verstehen, warum die Vertreter des Antifa-Komitees im Lager von Wiedergutmachungsleistungen sprachen, die ich nun als Deutscher hier zu leisten habe. Mein erster wirklicher russischer Freund war dann Alexander (Sascha) Wasiljew, mit dem ich 1952/1953 in Moskau auf der Komsomolhochschule in einem Zimmer wohnte. Da schließt sich auch ein Kreis mit dem 9. Mai 1953: Sascha, der ein Leutnant der Reserve war, erhielt an diesem Tag einen neuen Stern und wurde zum Oberleutnant der Reserve befördert. Der Stern lag ganz unten im Glas, als wir mit einem Wodka auf den Tag des Sieges und der Befreiung der Völker Europas vom Joch des Faschismus anstießen. Da war Freude unter Freunden. Ich kann mich bis heute als Freund der Sowjetunion und Russlands nicht daran erinnern, dass es jemals jemanden gab, der versucht hätte, mir diese Freundschaft zu verordnen. Was ich aber seit über drei Jahrzehnten erlebe, ist der öffentliche Versuch, den russischen Feind zu finden. Wozu man in der BRD bis 1985 brauchte, um die Worte des Präsidenten Richard von Weizsäcker zu hören, der da von der Befreiung sprach, hatte ich schon lange verinnerlicht. Und so halte ich es weiter mit der Frage, die Sascha und Hans verbindet: „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“[1] [1] Nach Jewgeni Jewtuschenko: Meinst Du, die Russen wollen Krieg“, 1961.
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