„Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens“ (Albert Schweitzer) Die sowjetische Gräberanlage in Blankenfelde, Berliner Damm 2 Auf dem Evangelischen Friedhof im Nordwesten des Ortsteils Blankenfelde, Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, südlich von Berlin, steht auf rund 1000m2 Fläche eine Grabanlage mit einem mittig angeordneten Denkmal. Hier wurden 1945 erste Gräber für sowjetische Soldaten angelegt. Heute geht man von über 500 Beigesetzten aus. 1 In einen deutschen Friedhof eingeschlossen, der sowjetische Soldatenfriedhof Blankenfelde. Bei Blankenfelde gab es keine nennenswerten Kampfhandlungen, als die Rote Armee um den 23.4.1945 herum das südliche Umland Berlins erreichte. Zum einen, weil die deutsche Verteidigung hier nicht ausgebaut war, zum anderen, weil es bei den sowjetischen Truppen reichlich Bewegung gab, wo die Aktionsstreifen vorrückender Einheiten aus zwei Großverbänden zusammenkamen: aus der 1. Weißrussischen und der 1. Ukrainischen Front. Mahlow und Blankenfelde wurden am 24./25. April von der 71. Mechanisierten Brigade (71. MBr., geführt von Major Kanawzew) im 9. Mechanisierten Korps der 3. Garde-Panzerarmee, eingenommen. Sie gehörte zum Verband der 1. Ukrainischen Front, die vom Süden vorstieß. Drei Motschützenbataillone der 71. MBr. waren von Sperenberg in östlicher Umgehung über Brusendorf, Dahlewitz, Glasow, Schönefeld und Waßmansdorf vorgedrungen. Der Gefechtsstand des Korps lag dann in Birkholz. Für ein, zwei Tage bezog die Brigade in Mahlow/Blankenfelde Stellung. Außer dem 1. Motschützenbataillon, das mit neuer Unterstellung sofort in Richtung Teltow weiterzog, um an der Forcierung des Teltowkanals und dem Sturm auf Berlin teilzunehmen, zog die Brigade aber fast vollständig wieder in Richtung Zossen ab. Vorausabteilungen derselben Armee hatten um den 23.4. herum kurz mal über Schünow das Terrain nördlich des Autobahnringes ausgespäht. Die 3. Garde-Panzerarmee zog sich dann noch vor dem 8. Mai weiter zurück und bewegte sich an Dresden vorbei in Richtung Prag. In Blankenfelde verblieb vorerst die Verwaltung der Rückwärtigen Dienste, in Mahlow - einige Reparatureinheiten der 71.Brigade. Sie waren es auch, die die ersten Bestattungen vornahmen und mit den Schwierigkeiten der Kennzeichnung konfrontiert waren, weil der kämpfende Hauptteil abgezogen war. Die Nachhut der 71. MBr. legte ab Mai auf dem sogenannten Waldfriedhof südwestlich von Mahlow ein Gräberfeld für die toten Rotarmisten der Umgebung an. Vorgesehen war ein Friedhof kleinen Typs, ein sogenannter Brigadefriedhof. In Klausdorf arbeitete man an einem ebenso kleinen Gräberfeld; in Berlin-Lichterfelde war eine Anlage für gefallene Offiziere geplant. Als Arbeitskräfte sollten die einheimische Bevölkerung und vormalige „Ostarbeiter“, die noch einige Zeit am Ort blieben, einbezogen werden. Ein Denkmal aus Beton mit vier weißen, quadratischen Marmorplatten sollte entstehen; ein Steinmetz in Zossen wurde beauftragt. Das Areal, kleiner als das heutige, wurde inmitten des deutschen Friedhofs mit einem Metallzaum begrenzt. 2-5 Die Anlage vor der letzten Restaurierung 2015. Am 7. 8. 1945 ging der „Soldatenfriedhof Mahlow“ (später mit „Blankenfelde“ bezeichnet) mit feierlichen Salutschüssen in die Verantwortung des Kreiskommandanten von Teltow, Oberstleutnant Nikiforow, über. Zu diesem Zeitpunkt fasste er 23 Einzelgräber, darunter drei für Offiziere, und sechs Gemeinschaftsgräber für 56 Personen, auch unbekannte. Das waren vor allem Soldaten der 71. MBr. Möglicherweise waren auch Tote des „Ausländerkrankenhauses“ darunter, das westlich von Blankenfelde gelegen war, oder Verstorbene der Fremdarbeiterlager in Mahlow. Mit großer Wahrscheinlichkeit bestattete man hier auch jenen Rotarmisten, der unter mysteriösen Umständen im Sommer 1945 an der Blankenfelder Dorfstraße tot aufgefunden wurde, was die standgerichtliche Hinrichtung eines verdächtigten deutschen Ehepaares zur Folge hatte. Dazu gibt es nur wenige Erlebnisberichte im Gemeindearchiv. Das Denkmal dürfte 1945 bereits fertig gewesen sein. Von zwei Seiten waren in Marmorplatten Inschriften eingraviert, die übersetzt lauten: „Den Helden des Großen Vaterländischen Krieges 1941 – 1945“ und „Ewiger Ruhm den Helden, die in den Kämpfen für die Freiheit und Unabhängigkeit der sowjetischen Heimat fielen“. Heute sind an zwei anderen Seiten Namen aufgelistet, etwa die Hälfte davon kam aber erst später hinzu. Die hier genannten Gefallenen sind in namentlich gezeichneten Gräbern neben dem Denkmal beigesetzt; die meisten von ihnen ließen Ende April 1945 ihr Leben. Mit SMAD-Befehl Nr. 89 vom 16./18. 3. 1946 wurde unter Aufsicht der örtlichen Kommandanturen die Zusammenlegung aller sowjetischen Grablegungen beschleunigt. Schutz und vollständiger Unterhalt der neuen Anlagen sollten danach in die Verantwortung der lokalen deutschen Behörden übergehen. Die Kosten waren über die Länderhaushalte als Besatzungskosten zu verrechnen. Mancherorts beteiligten sich Kommandanturen an den Kosten. Der Befehl stieß auch für den Ehrenhain im Blankenfelder Waldfriedhof Erweiterungen an. Es folgten ständig weitere Umbettungen. Eine Meldung des Wünsdorfer Garnisonskommandanten, vermutlich vom Sommer 1947, zählt 75 Namen auf. Eine Liste des Kreiskommandanten von Teltow, datiert vom 27. 10. 1947, nennt 128 Tote auf dem sowjetischen Friedhof in Blankenfelde. Schließlich gelangten aus Schünow, Wünsdorf und Teupitz Tote von anderen Einheiten der 1. Ukrainischen Front auf diesen Friedhof. Deren 130. Schützendivision hatte beispielsweise für die Zeit vom 20. April bis 1. Mai 1945, als sie bei Zossen kämpfte, Verluste von 93 Gefallenen und 27 im Lazarett Verstorbenen gemeldet. In Blankenfelde wurde für diese Toten 1949 ein Massengrab angelegt, ein „Brudergrab“, wie es im Russischen heißt. Es fasste eine unbekannte Zahl von Kriegstoten vor allem des Monats April 1945. Für mindestens zwei ist ein Todesdatum nach Kriegsende festgehalten. Auf einer später ergänzten Bronzeplatte heißt es, man habe 102 Namen nachträglich ermitteln können. Aber die Daten aus den Quellen sind unzuverlässig, insbesondere die mehrfach reproduzierten Listen von Toten aus dem Raum Zossen. Mitte 1949 wurden die hölzernen Einfriedungen durch solche aus Beton ersetzt und die Namenstafeln erneuert. Vermutlich kamen nun auch erstmals die konisch verlaufenden, 50 cm großen Beton-Obelisken mit rotem Stern auf die Gräber, die der Anlage bis heute ein zwar fremdes, aber historisches Gepräge geben. Einige Verwirrung herrscht bis heute bei den Namen. Der des oft gelisteten Major D. I. Scholochow beispielsweise, verstorben am 27.4. 1945, erscheint auf keinem Grab, und erstaunlicherweise fehlt auch jeder Hinweis auf einen solchen hohen Offizier in den gut erschließbaren russischen Archiven. Als einziger höherer Offizier liegt in Blankenfelde der Hauptmann Lew Dawidowitsch Kisljuk, geboren 1922 in Taschkent, begraben. Er war am 6. 4. mit dem Rotbannerorden geehrt worden. Am 25. 4.1945 fiel er am südlichen Berliner Rand als Aufklärer der 163. Selbständigen Haubitzen-Artilleriebrigade, die ebenfalls zur 3. Garde-Panzerarmee gehörte; seine Einheit beendete ihren Kriegseinsatz Tage später bei Prag. Das lässt sich anhand virtueller Akten rekonstruieren. Kisljuk bekam Ende 1947 ein Einzelgrab in Blankenfelde. An sein Grab hatte jemand später eine wertvollere Namenstafel angebracht, die leider der letzten Restaurierung und Vereinheitlichung der Gräber zum Opfer fiel. In einem zweiten Massengrab fanden die sterblichen Überreste sowjetischer Kriegsgefangener aus dem Lager Groß Schulzendorf bei Zossen, ein Zweiglager des Stalag IIID in Berlin, die letzte Ruhe. Es soll sich um 184 Soldaten gehandelt haben, die 1942 und 1943 zu Tode kamen. Angeblich fanden die Umbettungen 1945/46 statt. Eine Bronzeplatte vermerkt heute in Deutsch und Russisch die Bestattungsumstände und nennt Namen. Für einen der toten Kriegsgefangenen legte irgendwann einmal jemand eine marmorne Tafel mit Bildnis ab, vermutlich ein Angehöriger. Sie blieb erhalten. Sowjetische Grabanlagen in Deutschland wurden zur letzten Ruhestätte auch von Besatzungssoldaten, die an Krankheiten oder infolge von Unfällen nach Kriegsende zu Tode kamen. In Blankenfelde ruht, namentlich genannt, ein Sergeant, geboren 1903, der im April 1947 verstarb. Auch ein Kind ist in Blankenfelde beerdigt, ein Junge, der im April 1947 im Alter von einem Monat aus dieser Welt ging. Vermutlich war es das Kind einer Besatzerfamilie. Heute umfasst die Anlage 28 Einzelbestattungen, vor allem von Soldaten und Sergeanten. Einige Namen und Lebensdaten sind unvollständig, einige Rangbezeichnungen fehlen. Einige Gräber bergen einen bis heute und in alle Ewigkeit unbekannten Toten. Des Weiteren gibt es 20 kleine Gemeinschaftsgräber mit 2 bis 6 Toten, einige mit einer nicht genauen Zahl von Toten. Daneben finden sich drei große Gemeinschaftsgräber mit 9, 12 und 16 Toten. Hinzu kommen die erwähnten zwei Massengräber. Zur Zeit der Vereinigung Deutschlands 1990 war die Gedenkanlage in einem zufriedenstellenden Zustand, doch der Zahn der Zeit nagte an ihr. Für eine erste Sanierung im Jahr 1999 nutzte die Gemeinde Blankenfelde rund 195.000 DM Fördermittel des Landes Brandenburg. Man nahm umfangreiche Restaurierungsarbeiten an den Grabmalen, am Denkmal und an den Einfriedungen vor. Neubepflanzungen werteten die Anlage auf. Als sehenswerte Neuerung erhielten die beiden Massengräber steinerne Pulte mit bronzenen Tafeln. Sie halten Namen fest. Auf einer Bronzeplatte zum Grab der Zossener Kriegstoten ist in zwei Sprachen der Satz Albert Schweitzers von den Soldatengräbern als den großen Predigern des Friedens zu lesen. Dieses Zitat begleitet seit Jahren den Bau großer deutscher Soldatenfriedhöfe durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, so in der Ukraine und in Russland; es wird regelmäßig vom Reservistenverband der Bundeswehr aufgerufen. Hier nun fand das Zitat Verwendung in einer Anlage für sowjetische Kriegstote. Eine Platte zum Grab der Kriegsgefangenen zitiert das damals obligatorische Gedenken der „Opfer aus Krieg und Gewaltherrschaft“, womit eine sprachliche Brücke zur Gegenwart geschlagen wurde. Obgleich jährlich gärtnerische Arbeiten in Auftrag gegeben wurden, drängten sich 13 Jahre später erneut größere Restaurierungsarbeiten auf. Nachdem Besucher des Friedhofes auf den leisen Verfall der Grabobelisken und den Moosbefall des Denkmals aufmerksam gemacht hatten, schlug das Bau- und Ordnungsamt der Gemeinde eine größere Renovierung vor. Sie sollte so erfolgen, dass künftig weniger Geld in dauerhafte Pflege nötig und dennoch ein würdiges Gedenken möglich wäre. Ab 2012 nahmen die Überlegungen in Absprache mit der Unteren Denkmalbehörde konkrete Formen an, das Büro für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit der Botschaft der Russischen Föderation wurde konsultiert. Die Gemeinde ließ zu den Namen der Toten recherchieren und erfasste Dokumente aus der Entstehungsgeschichte des Gräberfeldes. Die Firma Dr. Jacobs & Hübinger für Gartendenkmalpflege und Landschaftsarchitektur, Berlin, entwarf ab 2014 und leitete ab 2015 die Restaurierung. Diese beinhaltete eine gründliche Auslichtung, Bodenarbeiten, Rasenneuanlage, neue Einfriedungen sowie Reparaturen und Reinigungsarbeiten am Denkmal, an den Grabobelisken und den Wegen. Sämtliche Namenstafeln wurden erneuert. In all das wurden über 150.000 Euro investiert. 6 -10 Die Anlage seit 2015. In Blankenfelde weiß man, dass es - ganz nach Albert Schweitzer - wichtig ist, fremde Gräber zu pflegen und auf diese Weise Friedensbotschaften zu versenden. Der Bürgermeister lässt jährlich am 8. Mai ein Gebinde am Denkmal niederlegen. Dr. Elke Scherstjanoi, Historikerin Kommentare sind geschlossen.
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