Der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 durch die faschistische Wehrmacht und verbündete Verbände ist ein unauslöschliches Datum der Geschichte. Dieser Tag markierte den Beginn des Großen Vaterländischen Krieges, in dem die Rote Armee der damaligen Sowjetunion den Hauptanteil an der Niederschlagung des Naziregimes trug. Die Vorgeschichte des Überfalls reicht bis vor die Machtergreifung der Nationalsozialisten zurück. Bereits in seinem 1925 veröffentlichten Buch “Mein Kampf” hatte Adolf Hitler die rassistischen und völkischen Pläne seiner “Lebensraumpolitik im Osten” erläutert. Bei einer Rede vor der Reichswehr am 3. Februar 1933 wiederholte er sein Ziel einer umfassenden Germanisierung des Ostens. Damit war diese Lebensraumpolitik von Anfang an Bestandteil der Ideologie der Nazis - im Gegenteil etwa zu anderen nachweisbaren Radikalisierungen bis 1945 - und wurde im Zweiten Weltkrieg in Mittel- und Osteuropa von der SS und Wehrmacht brutal angewendet. Hitler sah die Sowjetunion als seinen Hauptfeind und neben der Kategorisierung als Untermenschen (sic!) auch als Quelle für Rohstoffe und Sklavenarbeit. Um seinen Plan zu verwirklichen, schloss er 1939 einen vermeidlichen Nichtangriffspakt mit Stalin, der jedoch nur eine Täuschung war. Hitler bereitete heimlich einen Angriff auf die Sowjetunion vor, der unter dem Decknamen "Operation Barbarossa" lief. Der Verlauf des Überfalls war zunächst von schnellen Erfolgen der deutschen Truppen gekennzeichnet, die von Finnland, Rumänien, Ungarn, Italien und anderen Ländern unterstützt wurden. Sie drangen tief in das sowjetische Territorium ein und eroberten wichtige Städte wie Minsk, Kiew und Leningrad - wobei letztgenannte über zweieinhalb Jahre belagert wurde, wodurch es zur wohl grausamsten Episode des Zweiten Weltkriegs kam mit Massensterben, Krankheiten und Kannibalismus. Die sowjetische Armee war von dem Angriff überrascht und musste sich unter großen Verlusten zurückziehen. Doch trotz der schwierigen Lage gelang es ihr, die Faschisten an mehreren Fronten aufzuhalten und Gegenangriffe zu starten. Die entscheidenden Wendepunkte des Krieges waren die Schlachten von Moskau, Stalingrad und Kursk, in denen die deutsche Offensive zum Stillstand kam und die Rote Armee zur Offensive überging. Die Folgen des Überfalls waren verheerend. In der damaligen Sowjetunion starben etwa 27 Millionen Menschen, davon 18 Millionen Zivilisten, mitunter durch Massenerschießungen, Aushungern und weiteren Gräueltaten. Die deutsche Seite verlor etwa 6 Millionen Soldaten und 3 Millionen Zivilisten. Aus gegebenem Anlass sei ergänzt, dass trotz nachweisbarer Faschisten in der Ukraine, welche das Hitlerregime bei ihrer Vernichtung etwa von Jüdinnen und Juden unterstützte, Schätzungen zufolge rund 8 Millionen Menschen in der damals zur Sowjetunion gehörenden Ukraine getötet wurden, davon 5 Millionen Zivilisten und 3 Millionen Soldaten - damit waren knapp ein Drittel aller Rotarmisten, welche im Kampf gegen den Faschismus und damit auch für die Befreiung Deutschlands starben, Ukrainer. Ihnen gilt unser Dank. Der Krieg führte zu massiven Zerstörungen, Hungersnöten, Vertreibungen und ist Teil der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er zerstörte Kultur, Geschichte, Zukunft. Aber vor allem Leben. Der Überfall auf die Sowjetunion war nicht nur ein militärischer Konflikt, sondern auch ein ideologischer geführter Kampf des Faschismus und des fanatischen Irrglaubens einer Herrenrasse. Es bleibt zu sagen: Wer heute wieder Völkern ihre kulturelle Identität sowie Geschichte aberkennt, sich über sie erhebt, mittels Gewalt erobern und bestimmen will, wer Wörter wie "vernichten" und "verschwinden" verwendet und sich somit von rassistischem und völkischem Vokabular erhofft, Raum und Rohstoffe zu sichern, dem sei die Geschichte eine deutliche Mahnung. Derlei Kriege können nicht gewonnen werden, nicht auf dem Schlachtfeld - und nicht in den Köpfen. Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker. Im Mai 2023 erschien im Verlag Hoffmann und Campe ein Buch von Katja Hoyer mit dem Titel “Diesseits der Mauer. Eine neue Geschichte der DDR 1949-1990“. Mit Befremden und Erstaunen nehmen wir die Ausführungen der Autorin zum Ehrenbürger der Stadt Berlin, Nikolai Bersarin, Generaloberst der Roten Armee und im Mai 1945 erster sowjetischer Stadtkommandant von Berlin, zur Kenntnis. Die getroffenen Einschätzungen künden von Ignoranz gegenüber jahrelangen Forschungen in der Bundesrepublik zur sowjetischen Besatzungspolitik nach 1945 und zum Wirken Bersarins. Sie widersprechen wichtigen Aussagen im Museum Berlin Karlshorst, das die Grundlage für die erneute Aufnahme Bersarins in die Ehrenbürgerliste der Stadt Berlin erarbeitete. Die abwertende Einschätzung ist von Faktenleugnung, sprachlicher Undifferenziertheit und politisch-ideologischer Voreingenommenheit getragen. Historische Zusammenhänge werden verkannt bzw. die Geschehnisse unsinnig verknüpft und zugleich sensationslüstern dargeboten, was den Text zu einem Zeugnis der Rückkehr in das westdeutsche Geschichtsnarrativ der 1950er Jahre macht. Die gesamtdeutsche Rückschau war vor zwanzig Jahren schon weiter. Eine „neue Geschichte“ ist das nur in dem Sinne, dass dieser alte Unsinn heute wieder zunehmend verbreitet wird. Der „Arbeitskreis 8.Mai“ im Bundesverband Deutscher West- Ost- Gesellschaften sieht in dieser Veröffentlichung einen erneuten Versuch, die Person von Nikolai Bersarin zu diffamieren und mit ihm die Leistungen der UdSSR bei der Befreiung Europas und Deutschlands von Nationalsozialismus. Wir erheben Einspruch gegen diese Darstellung. Am 16.Juni 2023 gedachten Mitglieder des Arbeitskreises 8.Mai des vor 78 Jahren verstorbenen ersten Stadtkommandanten von Berlin Nikolai E. Bersarin und legten an der Gedenkstelle in der Alfred Kowalke Straße/Ecke Straße am Tierpark ein Blumengebinde nieder. Noch während der letzten Kriegshandlungen in Berlin wurde er von Marschall Georgi Shukow am 24.April 1945 für dieses Amt eingesetzt und übernahm damit die Verantwortung für die besetzte Stadt. Sein Engagement für die hungernden Bevölkerung Berlins ist ebenso unvergessen wie seine pragmatische Hilfe bei der Instandsetzung der Straßen, Strom und Wasserleitungen. Wir gedenken Bersarin, einem sowjetischen General, der die Leiden der Kriegszeit an der Front miterlebte und seinen ehemaligen Feinden ein zutiefst humanistisches Handeln entgegensetzte.
Die Truppen der Sowjetunion/Russlands waren bis 1994 in Teilen Deutschlands stationiert. Sie hatten in den Anfangsjahren der Besatzung vorwiegend die Aufgabe, die Einhaltung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zu sichern. Im März 1954 erfolgte die Umbenennung in Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Von 1989 bis zum Abzug 1994 war die offizielle Bezeichnung Westgruppe der Truppen (WGT). Sie stellten mit ihren durchschnittlich 500 000 Offizieren, Soldaten und Familienangehörigen das größte Truppenkontingent dar, das jemals von einer Besatzungsmacht über einen solch langen Zeitraum im Ausland unterhalten wurde. Es war eine schwierige und konfliktreiche Zeit des Abbaus von gegenseitigen Feindbildern bis zum Entstehen von persönlichen Freundschaften, die auch in der Gegenwart noch Bestand haben. Sie entwickelten sich meistens bei Begegnungen im Rahmen der Gesellschaft für Deutsch Sowjetische Freundschaft, der Waffenbrüderschaft der Streitkräfte des Warschauer Vertrages sowie im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Oberkommando der Westgruppe der Truppen und dem Bundeswehrkommando Ost bei der Koordinierung des Truppenabzuges der WGT aus Deutschland.
(1) aus Edition Schwarzdruck: Ost-Erkundung.Friedensbotschaft Seite 106 (2) aus Edition Schwarzdruck: Ost-Erkundung.Friedensbotschaft Seite 108 |
Archiv
August 2024
|
BDWO e.V. © 2019