Delegation des Veteranenverbandes der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland Im Rahmen der Konferenz „Perspektiven der Vertrauensbildung – 25 Jahre nach dem Abzug der Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“ (WGT) und „25 Jahre Stiftung West - Östliche Begegnungen“ beteiligte sich der Arbeitskreis 8. Mai an der Betreuung von Veteranen des Verbandes der ehemaligen Angehörigen der Westgruppe aus verschiedenen Regionen Russlands. Nachdem die Maschine der Aeroflot mit einiger Verspätung in Berlin-Schönefeld gelandet war, begrüßte ich gemeinsam mit einem Vertreter der Russischen Botschaft herzlich die siebenköpfige Gruppe unter der Leitung Ihres Präsidenten Generaloberst a. D. Anton W. Terentjew. Nach einem schnellen Check-in im Hotel fuhr die Delegation mit großen Erwartungen zu einem Treffen mit dem SPD-Politiker Dr. Karl-Heinz Brunner, u.a. Obmann im Unterausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung (von Waffen) in den Deutschen Bundestag. Da die gegenwärtigen politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland nicht unkompliziert sind, gewinnt der zivilgesellschaftliche Dialog an Bedeutung und so wurde von den Gesprächspartnern auf die Gefahr eines neuen Wettrüstens hingewiesen sowie die Notwendigkeit bekräftigt, vertrauensbildende Maßnahmen zu diskutieren. Dabei betonte Brunner, dass die Sanktionen der EU gegen Russland auch der deutschen Wirtschaft schaden. Als stellvertretender Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr sicherte er Generaloberst a. D. Terentjew zu, über dessen Vorschlag für eine gemeinsame Struktur des Veteranenverbandes der WGT, des Reservistenverbandes der Bundeswehr und des Verbandes zur Pflege der Tradition der NVA und der Grenztruppen der DDR nachzudenken. Begegnung wird gefördert und Austausch ist erwünscht – dieses Motto der Konferenz am 10. September 2019 unter der Beteiligung der Russischen Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Atlantischen Gesellschaft e. V., dem Deutsch-Russischen Forum, der Botschaft der Russischen Föderation, dem DOC Research Institut und der Veteranendelegation der ehemaligen Westgruppe, entsprach dem Anliegen der zahlreich erschienenen Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich im Gebäude der Landesvertretungen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs in Berlin versammelt hatten. Vertrauensbildung und Sicherheit sind zwei Seiten, die zusammengehören. Dabei waren es vor allem die persönlichen Erlebnisse der Referenten der Podiumsdiskussionen, die dazu beitrugen, neben der sachlichen Darstellung auch die emotionale Seite, die zur Vertrauensbildung und zu bestimmten Entscheidungen in der Politik vergangener Zeiten führte, nicht zu vergessen. Ein für den ehemaligen Kanzleramtschef Prof. Dr. h. c. Horst Teltschik auch gegenwärtig noch bewegendes Schlüsselerlebnis war beispielsweise im Juli 1990 die Aussage sowjetischer Offiziere, die sich nach Gesprächen im Kaukasus plötzlich auf dem Rollfeld des Flughafens vor Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident Gorbatschow aufstellten und bekräftigten: „Deutsche und Russen müssen Freunde sein.“ Auch Gernot Erler, Staatsminister a. D., konnte seine Gefühle kaum verbergen, als Prof. Alexej Gromyko, der Enkel des ehemaligen sowjetischen Außenministers Andrej Gromyko, eine Episode aus dem Leben seines Großvaters in der Zeit der deutschen Besetzung im Ersten Weltkrieg erzählte. Neben Hunger und Angst im Dorf wurde dieser Zeuge, wie die einzige Kuh der Familie von den Deutschen vom Hof getrieben wurde. Nüchtern resümierte der Enkel: „Von diesem Zeitpunkt an gab es keine Milch mehr für die Kinder der Familie Gromyko.“ An dieser Stelle wird deutlich, dass der gemeinsame Austausch und das Verständnis für die Sichtweisen der anderen Seite notwendig sind, um Vertrauen aufzubauen und Fortschritte zur Verbesserung des Verhältnisses der beiden Staaten zu erreichen. Das betrifft vor allem auch die veränderten Machtverhältnisse, die in einer multipolaren Welt mit verschiedenen Nuklearmächten und einem erneuten Wettrüsten, das auch im Weltraum angekommen ist, zum Albtraum werden können, wenn es nicht gelingt, gemeinsame Sicherheitssysteme zu schaffen. Trotz Risse in den bilateralen Beziehungen ist Russland in einer multipolaren Welt ein strategischer Partner, betonte Gromyko. Schwierige Themen in den Beziehungen erst einmal auszuklammern und ein neues Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands aufzubauen, war hingegen der Vorschlag von MdB Dr. A. Hahn (Partei „Die Linke“). Die in den neunziger Jahren für den Truppenabzug der WGT aus dem vereinten Deutschland verantwortlichen Generale, wie General A. W. Back für die Bundeswehr und General A. Terentjew für das sowjetische Kommando in Wünsdorf, waren sich mit Aleksej Gromyko einig, dass das in diesem Zusammenhang entwickelnde Vertrauen noch heute Bestand hat und dass die Menschen in der DDR ein wichtiger Faktor für die Versöhnung zwischen den beiden Völkern waren. Am 27. September 2019 wird im Deutsch-Russischen Museum Berlin - Karlshorst erstmalig eine Ausstellung eröffnet, die nicht nur den Abzug der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte zum Inhalt hat, sondern auch Dokumente aus der Zeit der Stationierung der sowjetischen Truppen in Deutschland von 1945 bis 1994 zeigt. Daher war das Interesse der Delegation des Veteranenverbandes und der Vertreter der Freundschaftsgesellschaften Brandenburgs und Berlins sowie des Vertreters des Verbandes zur Pflege der Tradition der NVA und der Grenztruppen der DDR groß, als am Vormittag des 11. 9. 2019 das historische Haus, in dem am 8. Mai 1945 die Kapitulation Hitlerdeutschlands unterzeichnet wurde, für eine Extraführung durch Museumsdirektor Dr. Jörg Morré öffnete. Die Ausstellungsgegenstände geben einen Überblick über verschiedene Stationen und Facetten der Stationierungszeit. Sie lassen ahnen, dass in den verschiedenen Phasen der Stationierung durchaus nicht alles „verordnet“ war und neben Vertrauen und Gefühlen der Versöhnung sogar Freundschaften entstanden. Im Anschluss konnte Dr. Morrè aus den Händen von Generaloberst Terentjew eine von ihm selbst signierte Fotografie entgegennehmen, die ihn als „letzten aus Deutschland in seine Heimat zurückfliegenden Soldaten“ zeigt. Mitglieder des Arbeitskreises 8. Mai wiederum übergaben Dr. Morré Urkunden, die an Begegnungen zwischen Schülern, Lehrern und der 35. motorisierten Schützenpanzerdivision in Krampnitz, in der Zeit von 1985 bis 1987 erinnern. Generaloberst a. D. Terentjew wird das von unserem Mitglied Lothar Schlüter angefertigte Diorama mit einem Flugzeugmodell des sowjetischen Jagdbombers SU-7BLK, geflogen von der 16.Luftarmee der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD), mit nach Moskau nehmen. Außerdem konnte den Delegationsmitgliedern eine Dokumentation über das sowjetische Fliegerdenkmal in Syhra in russischer Sprache übergeben werden. Am Nachmittag trafen sich im Nachbarschaftshaus Berlin-Hohenschönhausen Bürger des Ostseeviertels mit dem Stellvertreter des Präsidenten des Veteranenverbandes, Generalleutnant a. D. Nefjodow und dem Leiter der Regionalgruppe des Veteranenverbandes im Gebiet Wolgograd Oberst a. D. A.F. Kaschtanow, zu einem Bürgerforum. Der Arbeitskreis 8.Mai, seine Mitglieder und Sympathisanten, trafen hier auf ein gemischtes Publikum. Die Geschäftsführerin des Nachbarschaftshauses, Christina Emmrich, übernahm die Moderation. Ein Mikrofon sei nicht nötig, bemerkte A. Nefjodow bei seiner Ansprache und setzte hinzu: „Ich bin General.“ Seine Ausführungen begann er mit dem Hinweis auf die Wohnorte seiner Familienangehörigen in der Gegend von Brjansk, Orjol, und Kursk. Wer ein wenig geschichtsinteressiert ist, weiß, dass es sich hierbei um die Hauptkampflinie der deutschen Wehrmacht 1941 in Richtung Moskau handelt. Die damals von seiner Familie erlebte Notwendigkeit, Land, Haus und Hof verteidigen zu müssen, ließ den heute Einundsiebzigjährigen eine Laufbahn in der Armee anstreben und schließlich zum General werden. In vielen Diskussionsbeiträgen war das Unbehagen der Teilnehmer über eine neue Welle der Hochrüstung, die Ausschließung Russlands aus den gemeinsamen Sicherheitssystemen sowie die Aufkündigung international bedeutender Verträge zu spüren. Nie wieder Krieg mit Russland - das war besonders die Meinung derer, die noch eigene Erinnerungen an das schreckliche Ende des 2. Weltkrieges in Berlin haben. Die Redner machten auch aus ihrer Betroffenheit angesichts der antirussischen Politik Deutschlands als NATO-Mitglied keinen Hehl. Aber nicht nur diejenigen, die auf Grund ihrer Lebenserfahrungen am gegenwärtigen Kampf um die Erhaltung des Friedens teilnehmen, sondern auch eine Gruppe von Schülern der 10. Klassen des „Grünen Campus Malchow“ mit ihrem Lehrer, beteiligten sich bemerkenswert engagiert und offen an der Diskussion. Frieden mit Russland und der Austausch zwischen jungen Leuten sowie zwischen den Generationen ist für sie eine Perspektive für Sicherheit und Freundschaft. Wir können nicht handeln, als hätte es die Vergangenheit nicht gegeben. Der bevorstehende 75.Jahrestag der Befreiung Deutschlands durch die Rote Armee und die Alliierten, ist als Gedenktag an die Opfer des Zweiten Weltkrieges auch für die Zivilgesellschaft Anlass, über eine würdige Vorbereitung nachzudenken. Die Vorschläge an diesem Nachmittag waren vielfältig und reichten von Konzerten russischer Ensembles auf dem Gendarmenmarkt bis zum weiteren Ausbau des Russischen Museums in Berlin-Karlshorst zu einem Museum deutsch-russischer Geschichte. Für die Schüler gab es zum Abschluss natürlich die beliebten russischen Souvenirs und die Mitglieder des Veteranenverbandes wurden nach mehr als zwei Stunden auch von einigen Teilnehmern mit Handschlag und dem bekannten „Doswidanija“ (Auf Wiedersehen!) verabschiedet. Der letzte Besuchstag begann mit einem Empfang der Delegation des Veteranenverbandes und zwei Mitgliedern der deutschen Delegation durch den Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland, Sergej J.Netschajew. Begegnungen und Besuche wie diese, so stellte der Botschafter fest, tragen dazu bei, langjährige freundschaftliche Zusammenarbeit auf der zivilen Ebene zu vertiefen. Dabei galt sein Dank auch den Vertretern der deutschen Zivilgesellschaft, die sich als freundschaftlicher Partner Russlands in den Beziehungen zwischen den Menschen erweisen. Während einer Schifffahrt auf der Spree durch die Berliner City wurden die Sehenswürdigkeiten beiderseits des Flusses in Augenschein genommen. Durch den freundlichen Vertreter der Schifffahrtsgesellschaft wurde die „Piwo“(Bier) - Frage sehr schnell geklärt und es gab auch hier ein besonders herzliches „Doswidanija“ mit Handschlag von der Besatzung beim Verlassen des Schiffes. Zum abschließenden Essen hatte der Präsident des Verbandes die deutschen Gastgeber in die Bierbörse „Berliner Republik“ am nahen Spreeufer eingeladen. In gemütlicher und entspannter Runde resümierten die Teilnehmer ihre Erwartungen und Erlebnisse während der vier Tage in Berlin und Potsdam. Sie überreichten uns nach einer kurzen Ansprache Erinnerungsgeschenke. Die Atmosphäre war herzlich und nach meiner Bitte ließ es sich Anton Terentjew nicht nehmen - es war eindeutig eine Premiere besonderer Art - und sang mit klarer Stimme das bekannte Lied „Na Dony, Na Dony guljali Koni “. Den Besuchern der Gaststätte blieb nicht verborgen, dass es sich um eine Delegation aus Russland handelte und die Veteranen wurden daraufhin nach der Herkunft ihrer Abzeichen an den Anzügen gefragt. Ein Abzeichen des Veteranenverbandes der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte aus der Russischen Föderation, „wanderte“ dabei in die Hände eines 92jährigen Mannes aus Heidelberg. Dieser betonte, dass er noch nie in seinem Leben mit „Russen“ zusammengetroffen sei. Er wünsche sich für die Zukunft nur friedliche und freundschaftliche Kontakte zwischen beiden Völkern. Dazu könne man auch in Heidelberg beitragen, meinte Dr. Domke, der Ehrenvorsitzende der Stiftung West-Östliche Beziehungen und teilte darüber hinaus den Anwesenden mit, dass Heidelberg eine Städtepartnerschaft mit der Stadt Simferopol auf der Krim pflegt.
Ein letzter Einkaufsbummel im Alexa am Alexanderplatz rundete für alle diesen Tag ab. Dabei hatte einer der Veteranen ein besonderes Andenken im Sinn. Er sollte verschiedene Schachteln von Streichhölzern nach Hause mitbringen. Nachdem wir den Tabakladen gefunden hatten, stellte die junge Verkäuferin bedauerlicherweise fest, dass alle Streichholzschachteln ausverkauft waren. Meine Ratlosigkeit und die Übersetzung für meine Begleiter führte aber dann doch dazu, dass sie mit einer größeren Schachtel von Kaminhölzern wiederkam. Auf meine Frage nach dem Preis meinte sie, dass sie diese den Kunden aus Russland schenke. Sie bedauerte in der Schule nur Englisch gelernt zu haben und dass es an ihrer Schule auch kein Wahlfach Russisch gegeben habe. „Deutsche und Russen müssen in Frieden leben!“ war ihre Aussage und diese deckt sich mit meinen Erfahrungen in diesen, für unsere Freundschaft wichtigen, vier ereignisreichen Tagen. Brigitte Großmann Kommentare sind geschlossen.
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