Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur: "Der erste Stadtkommandant von Berlin". Ausstellung16/6/2020
Dr. Manuela Schmidt, Vizepräsidentin Abgeordnetenhaus von Berlin wandte sich mit folgenden Worten an die anwesenden Persönlichkeiten und Gäste, zunächst einmal herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrer heutigen Veranstaltung und Ausstellung zum ersten sowjetischen Stadtkommandanten Nikolai Bersarin. Ich bin heute auch gerne zu Ihnen gekommen. Denn die Freundschaft zu Russland liegt uns im Abgeordnetenhaus und mir persönlich sehr am Herzen. o ganz haben wir den Wunsch nicht aufgegeben, dass es eines Tages ein gemeinsames Europäisches Haus geben wird, von dem einst Michail Gorbatschow sprach. Das mag in Ihren Ohren vielleicht ein wenig naiv klingen. Aber wir Berlinerinnen und Berliner sind krisenerprobt, und wir wissen nur zu gut, dass das Unmögliche am Ende doch Wirklichkeit werden kann. Ich denke, es reicht in diesem Zusammenhang auf den 9. November 1989 zu verweisen – die Öffnung der Berliner Mauer. Auch sie hatte – so die Erbauer – einen sehr langen Erhaltungswert. Am Ende waren es dann 28 Jahre. Ein überschaubarer Zeitraum. Und das bringt mich zu dem Satz: Der Wandel, die Veränderung ist historisch, aber auch politisch nicht aufzuhalten. Es ist klug, sich dieser Einsicht nicht zu verschließen, zumal wir die Veränderung auch planen können. Und insofern möchte ich den Traum vom Gemeinsamen Europäischen Haus nicht aufgeben. Es ist eine sehr zukunftsbejahende Vision. Für uns alle in Europa. Dabei bleibe ich. Einen epochenübergreifenden Wandel markierte auch der 8. Mai 1945. Das Ende des Zweiten Weltkriegs war besiegelt und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten beendet. Wie wichtig gerade dieses Datum ist für die Befreiung Deutschlands vom Faschismus, haben wir in Berlin politisch unterstreichen wollen. Wir haben in unserem Landesparlament letztes Jahr beschlossen, dass der 8. Mai 2020 in Berlin ein Feiertag sein soll. Wir wollten so die Erinnerung an die Befreiung durch die Alliierten, vor allem durch die Armeen der Sowjetunion vor 75 Jahren gebührend würdigen. Doch dann geschah etwas, womit niemand rechnete. Das lebensgefährliche Coronavirus machte uns das Leben schwer. Wir konnten keine öffentlichen Veranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs durchführen. Und wir konnten diesen Feiertag offiziell nicht entsprechend und damit nicht angemessen begehen. Umso mehr freue ich mich, dass Sie heute den 75. Todestag von Nicolai Bersarin zum Anlass nehmen, eine historische Würdigung dieser Persönlichkeit vorzunehmen. Nicolai Bersarin ist Berliner Ehrenbürger. Und das nicht ohne Grund. Natürlich, er war in erster Linie ein erfolgreicher Militär. Das war sein Beruf. Und dennoch hatte er gleich nach den Kämpfen um Berlin erkannt, dass die Menschen in dieser Stadt, die quasi in einer Wüste der Zerstörung und auch der Verstörung lebten, Hilfe brauchten. Das war eine enorme Herausforderung für die Rote Armee, die ja zunächst alleine den Kampf um Berlin führte. Eine Armee ist eben keine Zivilverwaltung. Aber Nicolai Bersarin erkannte als ernannter Stadtkommandant sofort, dass die Rote Armee in Berlin nicht nur militärische Aufgaben hatte, sondern auch dazu beitragen musste, dass ein ziviles Leben, dass ein geordnetes Leben in dieser weitgehend zerbombten Stadt wieder möglich werden konnte. Er nahm diese Verantwortung an und schuf sofort Strukturen innerhalb der Roten Armee, um diese Herausforderung zu meistern. Wohl selten in der Geschichte wurde aus einem Generaloberst so schnell ein ziviler „Bürgermeister“. Dazu noch ein erfolgreicher „Bürgermeister“. Ich denke, wir Berlinerinnen und Berliner haben sehr gute Gründe, Nicolai Bersarin zu ehren: Erstens: Er war ein Humanist. Anders ist nicht zu erklären, dass er nach all dem Kriegsgräuel, den die Deutschen nach Europa und Russland trugen, ohne Hass gegen die Menschen in Berlin agierte. Das können nur außergewöhnlich souveräne Persönlichkeiten. Nikolai Bersarin war so eine Persönlichkeit. Zweitens: Bersarin erwies sich als „Schutzengel“ für die Menschen in Berlin. Davon zeugen seine Befehle an die sowjetischen Soldaten, denen er Vergewaltigungen, Plünderungen und Willkür untersagte. Bersarin, so scheint es, war es wichtig, dass die Rote Armee nicht dieselben Kriegsverbrechen gegenüber der Bevölkerung beging wie die Soldaten der Deutschen Wehrmacht beim Russlandfeldzug. Und drittens: Bersarin hatte Charisma – im guten Sinne des Wortes. Selbst Antikommunisten, wie der damalige CDU-Politiker Ernst Lemmer, äußerten sich nach Kriegsende über Bersarin ausgesprochen positiv. Ich möchte Ihnen das Zitat nicht vorenthalten. Vielleicht kennen Sie es schon. So sagte Lemmer: „Generaloberst Bersarin schien nichts wichtiger zu sein, als Berlin lebensfähig zu machen. Er nahm seine Aufgabe so ernst und hielt sie für so selbstverständlich, als hätte er sie in seinem eigenen Land durchzuführen.“ Ohne Zweifel: Nicolai Bersarin war eine große Persönlichkeit und hat seinen Platz in der Berliner Stadtgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Lassen Sie mich deshalb betonen: Er ist vollkommen zu Recht unser Ehrenbürger. Gestatten Sie mir eine weitere persönliche Bemerkung! Gerade als Berlinerinnen und Berliner haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber den unzähligen Opfern aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion für die Befreiung vom Hitlerfaschismus. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung gegenüber Russland. Der müssen wir uns stellen. ----------------------------------------------------------------------------- Dr. Manuela Schmidt, Vizepräsidentin Abgeordnetenhaus von Berlin Mitglied der Linksfraktion, Mitglied im Hauptausschuss und Sprecherin für Bezirke Niederkirchnerstraße 5 10111 Berlin Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur
"Der erste Stadtkommandant von Berlin" Ausstellung zum 75. Jahrestag des Todes von Nikolai Bersarin Laufzeit: 16.06. bis 30.09.2020 Di bis Fr: 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr Kommentare sind geschlossen.
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