Siegfried Kohlmetz, 2017Siegfried Kohlmetz, Jahrgang 1949, war Oberbauleiter bei Spezialbau Potsdam, nach 1990 Bauunternehmer, ist heute Rentner. Der mündliche Bericht wurde von Hartmut Winterfeldt aufgezeichnet.
Es war 1980, als ich zum Betriebsteil Schwerin des VEB Spezialbau Potsdam kam. Der Betrieb diente der Sicherstellung von Bauleistungen für die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Er trat als Generalunternehmer bei entsprechenden Bauvorhaben auf. Als Oberbauleiter war ich verantwortlich für Bauten in den Kasernen von Wustrow, Güstrow, Wismar und Schwerin. Die Bauvorhaben waren grundsätzlich bilanziert und in die Bilanzen der Kreise eingearbeitet. Abnehmender und Kontaktperson war ein Inspektor der Bauverwaltung im Wünsdorfer Oberkommando, der jedoch in der Region wohnte. Wir Bauleute hatten mit den militärischen Strukturen der Truppe nichts zu tun. In typisch sowjetischem Geheimhaltungsgebaren erhielten die Objekte und Bauvorhaben eine drei- bzw. vierstellige Chiffre, die betriebsintern ausschließlich verwendet wurde. Manchmal verwendeten wir allerdings sogar noch alte Bezeichnungen für die Kasernen, z.B. Zeugamt für die Kaserne am Bahnübergang Stern-Buchholz. Ich bemühte mich sehr, die Geheimhaltungsregeln einzuhalten, hatte ich doch Zugang zu allen Räumlichkeiten der Kaserne. Wenn es gerade das Planungszimmer des Stabes war, blickte ich eben nicht auf die Schemata und Karten. Sicherheit spielte auch bei der Personalauswahl eine große Rolle. So wurden vor größeren Bauvorhaben durch die Kaderabteilung in Zusammenarbeit mit dem „V-Null“ (MfS-Mitarbeiter für die Dienststelle) Listen der Mitarbeiter erstellt, die ich dem Kommandeur des Truppenteils zu übergeben hatte. Manchmal sagte der nur: „Die Listen kannst du gleich selbst an der Wache abgeben.“ Und dann lief das. In Rerik und auf der Halbinsel Wustrow war ich häufig. Wir bauten dort eine Schule, ein Krankenhaus, Heizhäuser, eine Kläranlage und sogar eine Straße vom Entladebahnhof Neubuckow zur Halbinsel. Im Zusammenhang mit dem Flakschießplatz kam es auch zu skurrilen Situationen. Einmal versuchte ich mit meinem Dienst-Wartburg die Halbinsel zu umrunden. An einer Stelle sah ich mir unbekannte kleine Panzer, Fahrerplatz in der Mitte, anscheinend nur drei Mann Besatzung. Da ich das Pech hatte, mich festzufahren, musste mich ein sowjetischer LKW bergen. Nach meiner Rückkehr hatte ich dann ein Gespräch bei unserem „V-Null“. Ein anderes Mal aß ich mit dem Bürgermeister von Rerik und einem weiteren Bekannten nach einer Baustellenkontrolle in Rerik zu Mittag. Die beiden meinten, dass mehr gepanzerte Fahrzeuge die Halbinsel verließen, als vorher dorthin gefahren waren. „Ja“, sagte ich, „das kann sein. Ich habe gesehen, wie aus U-Booten am Strand Panzer entladen wurden.“ Das war von mir frei erfunden, ein Spaß, aber wieder folgte eine Aussprache beim „V-Null“. Überhaupt Wustrow! Irgendwann unterstützten wir die Russen beim Anlegen eines Karpfenteichs. Bei der Auswahl des Platzes hatten wir nicht bedacht, dass das Salzhaff bei Hochwasser die Stelle überspülen könnte, und so schwammen die Karpfen eines Tages in der Ostsee. Unser Betrieb baute Brunnen und Straßen, deckte Dächer und löste vielfältige Aufgaben im Innenausbau. Ein ständiger Schwerpunkt war die Modernisierung von Kesselhäusern bis hin zu den Leitungen und Heizkörpern in den Gebäuden. Die Heizhäuser, die wir in den 1980er Jahren errichteten, entsprachen dem aktuellen Stand der Technik mit Rauchgasentstaubung und automatischer Entaschung. Das letzte Heizhaus für das Objekt an der Ludwigsluster Chaussee (jetzt hinter dem Baumarkt) ging nicht mehr in Betrieb. Immer waren Rohbraunkohle beziehungsweise Briketts die Energieträger. Ein anderer Schwerpunkt war in den frühen 1980er Jahren in fast allen Liegenschaften die Errichtung von Waschrampen mit modernen Ölabscheidern. Ich habe mich während dieser Tätigkeit bemüht, die Kontakte zu den sowjetischen Stellen nicht zu eng werden zu lassen und die Annahme von Geschenken zu vermeiden. Einmal jedoch, in Wustrow, war es unumgänglich, ein lebendes Ferkel mitzunehmen, das man mir in den „Wartburg“ gelegt hatte. Für die Sowjets war das kein Problem, denn sie unterhielten ja in jeder Kaserne eine kleine Schweinemast, die hauptsächlich von den Essensresten lebte. Dieses Ferkel nahm ich dann mit und brachte es zu meinen Eltern, die es mästeten. Andere Kollegen haben wohl auch etwas Baumaterial „abgezweigt“. Das war natürlich strafbar, im Bauwesen der DDR aber keineswegs selten. Das Material war in der Planwirtschaft ja „bilanziert“, Und wenn es für ein Bauvorhaben nicht reichte, wurde es anderswo abgezogen. Immer zugunsten des Militärs. Man konnte dagegen vor dem Vertragsgericht klagen, aber auch dort wurde politisch entschieden. Ich erinnere mich an eine Verhandlung des Kreises Bad Doberan gegen Spezialbau, bei der ich als Zeuge zugegen war. Als der Vertreter des Kreises auf die sozialen Probleme verwies, die für die Bevölkerung durch die Kürzung seiner Bilanzen entstanden, wurde der erfahrene Funktionär von der jungen Richterin in geradezu peinlicher Art und Weise abgekanzelt. Angesichts der Knappheit in unserem Gesundheitswesen waren auch das Entsetzen und der Neid des Chefarztes des Kreiskrankenhauses Bad Doberan verständlich, als er bei der der Übergabe eines hochmodernen Krankenhauses auf Wustrow zu Gast war und vieles sah, was ihm aus Kapazitätsgründen vorenthalten wurde. In den 1980er Jahren wurden die schäbigen Bretterzäune um die Liegenschaften der Westgruppe der Truppen der UdSSR (WGT) durch Mauern ersetzt. Das war eine echte Eigenleistung und diente der Verbesserung der Sicherheit. Es gab ein spezielles Betonwerk der WGT bei Frankfurt/Oder. Dort wurden die einzelnen Felder produziert und zu den Standorten geliefert. Auch innerhalb der Kasernen gab es Bereiche, die mit diesen Mauern zusätzlich gesichert wurden. Die Verbesserung des optischen Eindrucks war ein Nebeneffekt. Dass diese Investition auf ein Gespräch zwischen Breshnew und Honecker zurückging, halte ich für ein typisches DDR-Gerücht. Mein Eindruck war, dass zunehmend auf Sicherheit geachtet wurde. Er verstärkte sich, als ich in einer Kaserne zufällig Soldaten mit Schilden üben sah, was eher wie Polizeitaktik anmutete. In den späten 1980er Jahren spürten auch wir im Betrieb die wachsende Spannung in der Gesellschaft. Einmal hatte ich auf dem Hof mehrere Arbeiter von einem anderen Baubetrieb, die sich weigerten, am neuen Gebäude der SED-Kreisleitung zu arbeiten. Nach der Wende war ich noch kurze Zeit in einer Struktur tätig, die sich mit der Bewertung der unter Verantwortung der WGT errichteten Bauten befasste. Bald wurde mir die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens klar. Es wurde ja bekanntlich auch aufgegeben, die Bausubstanz wurde pauschal gegen die hinterlassenen Umweltschäden verrechnet.
2 Kommentare
Dr. Enseleit, Jürgen
8/8/2020 15:10:12
Mein Vater arbeitete bis zum 14.5.1973 8.45 Uhr beim Spezialbau Potsdam BT Schwerin als LKW Fahrer! An diesem Tag ist er mit dem LKW tödlich verunglückt!
Antworten
Guten Tag sehr geehrter Herr Dr. Enseleit, wir haben Ihre Anfrage, die Sie per Kommentarfunktion auf unsrer Webseite (https://ak8mai.bdwo.de/wege-zueinanander-miteinander/heizhauser-und-waschrampen-von-wustrow-bis-rastow#comments ) zur Kenntnis genommen. Diese Anfrage haben wir an den Autor des aufgezeichneten Berichtes von Siegfried Kohlmetz (ehemaliger Oberbauleiter bei Spezialbau Potsdam, nach 1990 Bauunternehmer, heute Rentner) mit der Bitte um mögliche weitere Auskünfte weitergeleitet.
Antworten
Antwort hinterlassen |
Autoren
Alle
|