Karl Diedrich Karl Diedrich, Jahrgang 1941, war Stahlschiffsbauer
Viele Geschichten erlebt man auf Reisen im Ausland. Gleich ob im Norden, Westen, Süden oder im Osten der Weltkugel, man muss dazu nur bereit sein. Meine Reisegruppe wurde von den sowjetischen Busfahrern und dem Reiseleiter zu einem Nachtmahl in den Kaukasus eingeladen. An einem Lagerfeuer im Fluss Therek war dieses abenteuerliche Erlebnis geplant. Es ging an einen Lagerplatz im Flussbett ca. tausend Meter in der Höhe in die Berge. Wir fuhren durch enge Schluchten, stark abfallende Schlünde, durch Kurven, vorbei an Auto – und Eselwracks, an anderen Überresten von Sturm - und Schneeereignissen vergangener Jahre. Nach solchen Bildern kamen wir am Zielort an. Tosende Wassermassen, feuchte Wasserschwaden, glitzernde Wassertropfen in der Luft ließen uns ängstlich in das Umfeld schauen. Mit einem kräftigen „daweitje Boris“ feuerte der Mischa, unser Reiseleiter, den Fahrer an, durch den Fluss die Sandinsel in diesem tosenden Wasser zu erreichen. Bisher hatte niemand Angst, doch nun? Wir standen mit trockenen Füßen auf einer wunderbaren, vom Therekwasser heftig umspülten Sandbank. Schnell waren alle Voraussetzungen erfüllt, und wir hatten das Feuer angefacht und konnten essen. Es war ein Bild wie es wohl kaum jemals wieder sichtbar wird. Der Bus ließ aus seinem Radio wunderbare Musik erklingen, die Weinflaschen leerten sich schnell, es begann zu dunkeln. Am Lagerfeuer gab es heftige Gespräche mit den Busfahrern, als uns zwei singende, alte Herren durchs Wasser besuchen kamen. Sie brachten als Gastgeschenke zwei riesige Weinreben mit blauen und grünen Reben mit. Singend luden sie uns zum mitsingen ein. Sie erzählten dass sie Mitglieder des „hundertjährigen kaukasischen Männerchores“ seien. Dabei sangen sie nun immer wieder wunderbare Lieder des Kaukasus. . Eine Dresdener Reiseteilnehmerin tanzte in ihrem Perlonkleid zwischen dem Feuer und den alten Herren sich biegend und schwingend hin und her. Durch den Feuerschein war ihre grazile Figur natürlich in voller Schönheit erkennbar. Die alten hundert- jährigen, bärtigen Opas verloren bald ihre Augen bei solchen Bildern. Sie sangen noch kräftiger und lauter vor Begeisterung als vorher. Die Tänzerin schritt im durchscheinenden Gewand, fröhlich, mit einem aufreizendem Lächeln, den spitzen Mund auf den Kopf des einen Sängers zu. Sie küsste diesen im Freudentaumel über dieses berauschende Treffen mitten auf den Mund, ohne zu erkennen, dass sie damit die kaukasischen Bräuche absolut verletzte. Ein solcher Kuss war ein Hochzeitsversprechen, und ließ sich nicht mehr zurücknehmen. Die Folge ließ nicht lange auf sich warten. Die beiden Alten buhlten um die junge Frau und verstanden die Welt nicht mehr. Sie waren doch ernsthaft bemüht. Sie dagegen bat mich dringend um Hilfe, da sie sich der zwei stürmischen Bewerber nicht mehr erwehren konnte. Nun war ein guter Rat nötig. Ich sprach mit allen Männern, da der Reiseleiter sich weigerte sich hier einzumischen. Er machte mir klar, er sei der Jüngere und dürfe sich in solchen Angelegenheiten der Alten nicht einmischen. Es wäre für ihn lebensgefährlich. Bei solchen Situationen könnten die Alten schnell mit dem Messer auf ihn losgehen. Niemand würde hier für ihn Recht sprechen. Ich müsse das Problem allein lösen. Damit forderte ich nun die Männer der Reisegruppe auf mit den beiden Alten fortlaufend Wein zu trinken und auf die Freundschaft, auf den Kaukasus, auf das Leben und die Sowjetunion anzustoßen. Jeder Einzelne tat sein Bestes, die beiden Alten mussten einen Weinkeller im Bauch haben. Unsere Vorräte gingen langsam zum Ende. Ich mischte den Rest der Weinvorräte mit zwei Flaschen Wodka auf. Für diesen Trank erntete ich viel Beifall bei den Alten. Sie tranken, sangen, tranken, es wurde immer dunkler. Ich lobte sie für ihre Gesundheit, ihren Gesang, ihr Gastgeschenk, und führte mich wie ein kaukasischer Tamada (Vorsprecher) auf. Langsam wurde das erlebte Übel vergessen, wir tranken auf die Winde, die Adler, die Mädchen des Kaukasus, ich weiß nicht mehr worauf noch. Die beiden Alten erhoben sich schwankend, drückten alle Männer an ihre Heldenbrust, und lallten „Domina“. Ich wusste nicht mehr wie die Vokabel hieß. Wir packten alle Sachen zusammen, beluden den Bus, hörten die beiden Alten noch lange in den Berghängen laut singen. Die Tänzerin war ganz still geworden. Wir wollten einfach nur noch ins Hotel ins Bett. Der Reiseleiter, die Busfahrer bedankten sich bei allen Männern für ihr Verständnis. Mutig, stolz, großzügig und betrunken vergaben wir jedem, der dies von uns erwartete. Saßen gerade im Bus und schliefen sofort fest ein.
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