Georg Scholz, 2019Georg Scholz, Jahrgang 1986, ist Russischlehrer in Berlin.
Die Freundschaft zwischen Deutschen und Russen ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Geschichte und Gegenwart. Trotz der Kriege und Konflikte zwischen beiden Staaten konnte die Freundschaft zwischen den Menschen bis heute überdauern, was ihr eine besondere Bedeutung verleiht. Auch in meinem bisherigen Lebenslauf hat die Freundschaft zu Menschen, die aus Russland stammen oder in Russland leben, eine besondere Rolle gespielt und ist zu einem Teil meiner persönlichen Geschichte geworden. Als Russischlehrer werde ich häufig gefragt, ob ich aus Russland stamme oder russische Vorfahren habe. Wenn ich dann verneine, reagieren die Meisten erstaunt: „Wie kommst du dann auf Russisch? Und wo hast du die Sprache gelernt?“ Ich wurde 1986 in Frankfurt am Main geboren und ging dort zur Schule. In der siebten Klasse bekam unser Jahrgang Zuwachs von etwa fünf neuen Mitschülern, die in verschiedenen Teilen der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden. Mit Dimitrij, einem der neuen Mitschüler, schloss ich schnell Freundschaft, was unter anderem an der Aufgeschlossenheit und Gastfreundschaft lag, die er mir entgegenbrachte. Bereits nach kurzer Zeit wurde ich zu ihm nach Hause eingeladen, wo ich Bekanntschaft mit seiner Mutter und der jüngeren Schwester schloss. Nach einigen weiteren Besuchen zählte ich bereits zum Freundeskreis der Familie. Auf diese Weise lernte ich die russische Kultur kennen, die in Dimitrijs Familie trotz des neuen Lebens in Deutschland weiterhin gelebt wurde. Ich hörte die Geschichten aus Russland, die mir die Mutter erzählte, sah russische Filme und lernte die Werke russischer Schriftsteller kennen, die mir empfohlen wurden. Ein besonderes Interesse entwickelte ich für die russische Sprache, die ich zu Hause bei Dimitrij oft hörte, jedoch – bis auf einige Wörter, die mir beigebracht wurden – nicht verstand. Als ich nach dem Abitur vor der Wahl stand, welches Fach ich studieren sollte, entschied ich mich für ein Lehramtsstudium des Fachs Russisch an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Im Rahmen der gemeinsam besuchten Vorlesungen und Seminare freundete ich mich mit einer Gruppe von Studenten an, die entweder im Laufe der Neunziger Jahre als „Russlanddeutsche“ nach Deutschland gekommen waren oder nach Beendigung ihrer Schullaufbahn in Russland nun in Gießen studierten. Uns verband vor allem die Liebe zur russischen Sprache und Kultur. So organisierten wir Filmabende, an denen wir aktuelle oder klassische Filme des russischen Kinos zeigten, veranstalteten Spielabende und Sommerfeste, die im Zeichen der russischen Feierkultur standen, und drehten zuletzt einen eigenen Film, in dem Studenten mit russlanddeutschen Wurzeln von ihrem Abschied in Russland und ihrem Ankommen in Deutschland berichteten. Einer der Studenten, zu dem ich eine besonders enge Freundschaft pflege, lebt inzwischen ebenfalls als Russischlehrer mit seiner Frau in Berlin. Meine Begegnungen mit aus Russland stammenden Menschen und der russischen Kultur beschränken sich jedoch nicht nur auf Deutschland. So verbrachte ich einen wesentlichen Teil meines Studiums an der Staatlichen Universität in Kazan´, zu der die Gießener Universität eine langjährige Partnerschaft pflegt. Zuerst besuchte ich die KFU im Rahmen eines durch den DAAD geförderten Austauschprogramms, dann im Rahmen der Vorbereitungen auf mein Examen. Die Menschen, die ich in Kazan´ kennenlernte, begegneten mir stets offen und herzlich, so dass sich auch in dieser Zeit Freundschaften entwickelten, die dazu führten, dass ich nicht nur als Student, sondern auch privat nach Kazan´ kam, um Freunde zu besuchen. Ein Sommer auf der Datscha meiner Gastfamilie wird wohl für immer in besonderer Erinnerung bleiben. Nach Beendigung des Lehramtsstudiums in Gießen begann ich mein Referendariat in Berlin, wo ich derzeit das Fach Russisch unterrichte. Ich hoffe, als Russischlehrer meine Begeisterung für die russische Sprache, für die Kultur, das Land und die Menschen an junge Generationen weitergeben und somit einen kleinen Teil zum Fortbestehen der so wichtigen deutsch-russischen Freundschaft
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