Arbeitskreis 8. Mai des BDWO e.V.
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Erstbestattungen sowjetischer Soldaten – unbekannte historische Orte.

27/6/2025

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Gedanken zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus

Während des Zweiten Weltkrieges fanden in Deutschland rund 800 000 sowjetische Staatsbürger als KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter oder als kämpfende Soldaten den Tod. Allein während der Berliner Operation zählte die Rote Armee mehr als 80 000 unwiederbringliche Verluste. Sie alle wurden in mehr als 4 000 bis heute existierenden Endgräbern beigesetzt. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht. Der Nachweis konkreter Grabstätten ist oftmals nicht möglich.
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Für die Bestattung der gefallenen oder an ihren Verwundungen verstorbenen Sowjetsoldaten wurden 1942 und 1944 durch das sowjetische Verteidigungsministerium und durch Stalin persönlich genaue Vorschriften erlassen.¹ Ihnen zufolge waren Generale in Särgen auf Friedhöfen in der UdSSR zu begraben. Offiziere sollten ebenso wie weibliche Armeeangehörige in Särgen auf den Offiziersfriedhöfen der jeweiligen Armeen im Hinterland der Front beigesetzt werden. Für Sergeanten und Soldaten waren Sammelgräber vorgesehen. Bei einem bedeutenden Teil dieser Soldaten sind noch nicht einmal mehr die Namen bekannt.

Die Unwegbarkeiten des Krieges ließen es oft nicht zu, diese Anordnungen strikt zu befolgen. Daher richteten die bei den Regimentern existierenden Begräbniskommandos Erstbegräbnisstellen für mehrere, oft aber auch für einzelne Gefallene an deren Sterbeorten ein. Deren Lage sollte in Karten eingetragen werden. Die persönlichen Daten waren in Todesbüchern zu erfassen. Für die zeitweiligen Begräbnisstätten sollten markante Stellen gewählt werden, die mindestens 300 m von Wohnplätzen entfernt und möglichst auf einem Hügel lagen, um das Eindringen von Wasser zu vermeiden. Zur Kenntlichmachung der Stelle dienten oft zu einer Pyramide aufgetürmte Steine oder dünne Baumstämmchen mit einem sichtbaren Zeichen wie einem Stern oder einem Stück meist roten Tuchs.
Auf der Suche nach solchen Begräbnisstellen auf Stabskarten und Lageskizzen wurden wir auf ein Zeichen aufmerksam, das einen stilisierten Obelisken darstellt. Unsere darauffolgenden Ortsbegehungen im Raum Strausberg, nordöstlich von Berlin, ließen dann ein bestimmtes Schema erkennen. Für die Erstbegräbnisstellen wurden Plätze in der Nähe großer prägender Gebäude möglichst mit hohem Schornstein als Erkennungszeichen gewählt. Deshalb können wir mit Bestimmtheit sagen, dass sich eine solche Erstbegräbnisstelle in Lichtenow in unmittelbarer Nähe zu der alten Ziegelei an der Bundesstraße B1, im Kampfgebiet der 8. Gardearmee befand. In Rüdersdorf und Strausberg waren es ebenfalls Ziegeleien. In Rehfelde fand sich eine günstige Stelle in der Nähe eines Fabrikgebäudes mit einem hohen Schornstein.

Bereits am Folgetag der Kapitulation Berlins, d. h. am 3. Mai 1945, begannen die ersten Einheiten der Roten Armee, die zeitweiligen Begräbnisstätten ihrer gefallenen Kameraden zu suchen. Das dauerte zuweilen Wochen und Monate. Viele konnten gar nicht mehr aufgefunden werden, da die Aufzeichnungen nicht immer vollständig, oft ungenau waren. Häufig fehlten Kartenvermerke über die Örtlichkeit der Grablagen völlig. Nach der Exhumierung wurden die sterblichen Überreste der Offiziere, Sergeanten und Soldaten auf gesondert angelegte, nur sowjetischen Soldaten vorbehaltene Friedhöfe überführt. Die Offiziere erhielten Einzelgräber, die Sergeanten und Soldaten Sammelgräber, die mindestens 2 m breit und 1,5 m tief sein sollten. Jeder Gefallene – so die Vorschrift – war mit Unterwäsche und Uniform, bestehend aus Militärbluse und Hose, zu bekleiden. Beizusetzen war er auf einer Liegefläche mit einer Breite von 1 m. Der Abstand zwischen den Toten war mit 0,5 m vorgegeben. Auf den Grabhügeln sollten nach dem Reglement Pyramiden aus Holz oder aus Stein errichtet werden, auf denen die Grabnummer zu vermerken war. Über die Namen der Bestatteten und die Anlage der Begräbnisstelle war Buch zu führen.[1]
Nur ein Teil der so entstehenden Friedhöfe erhielt bereits 1945 Mahnmale. Oft fehlten die materiellen und personellen Mittel, die erst in den folgenden Jahren gefunden wurden. Aus sachlichen oder ethischen Gründen wurden verschiedentlich auch Friedhöfe zusammengeführt, an vorteilhaftere und besser zugängliche Orte umverlegt oder durch Zubettungen erweitert. Beispiel dafür ist das Ehrenmal in Müncheberg.

Über die Örtlichkeit und das Aussehen der bedeutendsten Friedhöfe in Seelow, Berlin, Brandenburg, Rathenow, Berlin-Schönhausen u. a. entschied der Kriegsrat der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland am 14. Juni 1945.² Für die Erarbeitung der Projekte und die Berechnung der Kosten zeichnete der Chef der Pioniertruppen der Roten Armee verantwortlich. Der Chef der Rückwärtigen Dienste erhielt hingegen den Auftrag, die notwendigen Baumaterialien, Transportmittel und den Treibstoff sowie die Verpflegung der für den Bau heranzuziehenden örtlichen Bevölkerung bereit zu stellen. Die erste Finanzierungsrate belief sich auf 2,5 Mio. Rubel. Der Beginn der Arbeiten war für den 25. Juni 1945, das Ende für den 1. November 1945 terminiert.
 
Die Anlage und Pflege der übrigen Gedenkstätten wurde den Kommandanturen übertragen. Dazu zogen sie Einwohner der jeweiligen Dörfer und Städte heran, wie es beispielsweise bei der Errichtung des Mahnmals an der Autobahnauffahrt Erkner geschah. Hier wurden mit Unterstützung des Bürgermeisters 50 nachgewiesene, nicht aktive Mitglieder der NSDAP zur Arbeit verpflichtet. Diese erhielten dafür täglich zusätzlich 50 g Brot und eine Zigarette. Innerhalb von etwa zwei Monaten konnte die Einweihung stattfinden.
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Die Mehrzahl der Gedenkstätten trugen Obelisken mit der einheitlichen Inschrift „Ewiger Ruhm den Helden, die im Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der sowjetischen [bzw. der sozialistischen] Heimat gefallen sind“. Auf Steintafeln waren die Namen der Gefallenen bzw. Hinweise auf die Zahl der Namenlosen zu lesen. Sehr viele dieser Grabanlagen bestehen bis heute in dieser ursprünglichen oder in nur leicht abgewandelter Form fort.
 
Hier stellt sich die Frage, weshalb es so viele namenlose tote Soldaten und Sergeanten gab. Aus dem März 1941 stammt eine Anordnung, dass jedem Soldaten ein „Erkennungsmedaillon“ in Form einer verschließbaren Plastikhülse mit den persönlichen Daten des Inhabers auf Pergamentpapier im Inneren auszuhändigen war.³ Doch bereits im November 1942 wurden die Hülsen wieder abgeschafft.⁴ Es stellte sich heraus, dass der Geheimdienst der Wehrmacht die Daten von gefallenen Sowjetsoldaten nutzte, um Agenten in die Rote Armee einzuschleusen. Die Hülsen wurden deshalb durch Soldatenbücher ersetzt, die in bestimmten Zeitabständen mit wechselnden Stempeln gestempelt wurden. Bei jeder Kontrolle konnte somit der Fakt und der Zeitpunkt der Zugehörigkeit des Inhabers zu einer bestimmten Einheit zweifelsfrei festgestellt werden. Die Soldatenbücher wurden den Kämpfern vor Beginn einer Schlacht abgenommen und im Stab bzw. vom Politoffizier verwahrt und halfen bei der Identifizierung, wenn einer aus der Schlacht nicht zurückkehrte. Doch bei den Erstbestattungen gelang es nicht immer, die Stabsunterlagen gründlich zu Rate zu ziehen.

Für die Kämpfe auf der Gemarkung Rehfelde, einem Dorf nördlich von Lichtenow, konnten die Namen von 27 gefallenen Rotarmisten ermittelt werden. Davon waren zwei im Offiziersrang. Ihre Namen fanden wir auf der Liste jener, die in Berlin-Treptow ihre Endgrablage fanden. Den endgültigen Verbleib der übrigen 25 Sergeanten und Soldaten konnten wir trotz intensivster Suche nicht nachweisen. Also vermuten wir sie unter den Namenlosen auf einem oder mehreren Gedenkstätten in der Nähe.
 
Der heutige Umgang mit den Kriegsgräbern wird durch ein Abkommen zwischen Russland und der BRD vom 16. Dezember 1992 geregelt. Es besagt, dass die Regierungen beider Länder den Schutz und das dauernde Ruherecht für die Kriegstoten der jeweils anderen Seite in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten und die Umgebung der Kriegsgräberstätten von allen Anlagen freizuhalten haben, die mit der Würde dieser Stätten nicht vereinbar sind. Weiter heißt es, dass die Regierung der BRD die Erhaltung und Pflege russischer Kriegsgräber im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet und dafür die Kosten trägt.

Die Kriegsgräberstätten wurden im Zeitraum 1990/91 durch Kommissionen beider Staaten aufgenommen, beschrieben und fotografiert. Eine Kopie der Aufzeichnungen erhielt die jeweils zuständige kommunale Verwaltung. Das Original verblieb bei der Botschaft der Russischen Föderation. Ein dort angestellter spezieller Mitarbeiter bearbeitet alle Fragen im Zusammenhang mit den Kriegsgräberstätten. Letztlich aber liegt es in der Verantwortung der örtlichen Kommunen, die Gedenkstätten in würdiger Ordnung zu halten.

Gemeinsam mit unseren russischen Freunden nimmt unsere Familie den 8. Mai traditionell zum Anlass, Kriegsgräberstätten in Brandenburg zu besuchen. Und von Jahr zu Jahr müssen wir feststellen, dass die Zahl der Schändungen zunimmt. Es ist weniger Geschichtsvergessenheit, sondern vielmehr die gezielte Geschichtsklitterung und die Russophobie, die dieses Werk vollbringen.

Es gäbe noch viel zu berichten sowohl über Details während der Kämpfe, als auch über die Obliegenheiten der Roten Armee beim Umgang mit Trophäen, bei der Rückführung ausländischer Repatrianten (östlich von Berlin, in Buckow existierte ein Camp für 19 000 italienische Militärinternierte), über das Verhalten sowjetischer Soldaten und ihr Verhältnis zur deutschen Bevölkerung, über ihre Aufgaben bei der Wiederherstellung des zivilen Lebens hier vor Ort, bei der Entnazifizierung und bei der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in den hiesigen Dörfern. Über all das und vieles andere berichtet unsere Publikation „Auf dem Weg nach Berlin“ anhand des konkreten Geschehens in den drei Dörfern Rehfelde, Werder und Zinndorf. Sie erschien 2022 aus Anlass des 80. Jahrestages des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die UdSSR, ist heute aber aktueller denn je. Die anhaltende Resonanz auf das Buch zeigt, dass im 80. Jahr des Tages der Befreiung viele Deutsche Demut gegenüber den Heldentaten des Sowjetvolkes und seiner Soldaten beweisen und ihre Stimme hörbar gegen Geschichtsrevisionismus erheben.
Dr. Erika und Gerhard Schwarz
Geschichtswerkstatt Rehfelde e.V.
​¹ Befehl des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 138 vom 15. März 1941 zur Bekanntmachung der Vorschriften über die Erfassung der Verluste und Beerdigungen des Personals der Roten Armee in Kriegszeiten. Ministersvo oborony Rossiskoj federacii: Tyl vooružonnych sil v dokumentach (1941-1945), Moskva 2000, S. 31-35; Befehl des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 330 vom 7. Oktober 1941 zur Einführung des Soldatenbuches für Angehörige der Roten Armee. Mirovye Vojny XX veka: Dokumenty i materialy. Bd. 4. Vtoraja mirovaja vojna, Moskva 2005, S. 235-236; Befehl des Stellvertreters des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 376 vom 17. November 1942 zur Entfernung von Medaillons aus dem Bestand der Roten Armee. Russkij Archiv: Velikaja otečestvennaja. Bd. 13(2-2), Moskva 1997, S. 368; Befehl des Stellvertreters des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 023 vom 4. Februar 1944 zur Einführung von “Anweisungen zur Registrierung des Personals der Roten Armee (in Kriegszeiten)”. Russkij Archiv: Velikaja otečestvennaja, Bd. 13(2-3), Moskva 1997, S. 245, auch unter https://www.soldat.ru/doc/nko/text/1944-023.html,  (4. Dezember 2020).

² Befehl des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 0270 vom 12. April 1942 zur persönlichen Bestandsaufnahme unwiederbringlicher Verluste an den Fronten. Russkij Archiv: Velikaja otečestvennaja, Bd. 13(2-2), Moskva 1997, S. 202; Befehl des Stellvertreters des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 023 vom 4. Februar 1944 (wie Anm.1); Lyssenkov S.G.: Nikto nje zabyt, ničto nje zabyto? Istoričeskije issledovanija, 2017, Nr. 7, S. 144 -157.

³ Zentrales Archiv des Ministeriums für Verteidigung der Russischen Föderation, CAMO RF, 233/2380/32, Bl. 96-98.

⁴ Befehl des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 138 vom 15. März 1941 (wie Anm. 1), S.31-35.

⁵ Befehl des Stellvertreters des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR Nr. 376 vom 17. November 1942 (wie Anm. 1), S.368. 
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